Faye Webster: Underdressed At The Symphony

Faye Webster credit Michael Tyrone Delaney

Vorhang auf für Faye Webster: Die hochtalentierte US-Singer-Songwriterin geht „underdressed“ ins Symphoniekonzert – und zieht daraus Selbstbewusstsein für ein weiteres tolles Album.

von Werner Herpell

Der Titel von Faye Websters neuem Album spielt an auf einen (Alp-)Traum, den wohl viele schon mal so oder so ähnlich hatten: Man geht spontan zu einem Event, freut sich über das Ticket, das man im letzten Moment ergattert hat – und steht dann unter lauter vornehm gekleideten Leuten quasi in Alltagsklamotten rum. Peinlich, peinlich… Auch das Cover-Artwork zu „Underdressed At The Symphony” spielt auf die erratische Kleiderwahl an.

Faye ist „funny ha ha“

Faye Webster Underdressed At The Symphony Albumcover

„In die Symphonie zu gehen, war für mich fast wie eine Therapie“, erklärt die 26-jährige Singer-Songwriterin aus

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Atlanta/Georgia den Albumtitel. „Ich war in der Symphonie buchstäblich underdressed, weil ich mich erst im letzten Moment entschied, dass ich das tun wollte. Ich hatte das Gefühl, eine beschissene Zeit in meinem Leben hinter mir zu lassen und für eine Minute in einer anderen Welt zu sein. Ich mochte es, dass ich nicht das Gefühl hatte, dazuzugehören.“ Irgendwie das Falsche tun und dann das Beste daraus machen – Webster beweist auch mit ihrer fünften Platte seit dem Debüt von 2013 Selbstbewusstsein und einen leicht angeschrägten Humor.

Der Vorgänger hieß sogar „I Know I’m Funny Haha“. Auf dieser gefeierten Durchbruch-Platte breitete die junge Musikerin ihre nicht ganz unkomplizierte Seelenlage vor rund drei Jahren mit einem Stilmix aus Indie- und Folkpop aus, der gleichzeitig „old fashioned“ nach 70s-Westcoast-Countryrock (die sehr präsente Pedal-Steel-Gitarre!) und aufregend modern (der unerschrockene Crossover-Produktionsansatz!) klang. Darüber schwebte Websters mädchenhafte, fast schon allzu niedliche Stimme, die Naivität vortäuschen konnte – dabei war ihr Songwriting bereits mit allen Wassern gewaschen.

Songwriting auf Top-Niveau

Auf diesem Top-Niveau bewegt sich Faye nun auch mit „Underdressed At The Symphony”. Der Opener „Thinking About You“ lässt sich sechseinhalb Minuten Zeit, um ihr Nachdenken über ein „You“ in Szene zu setzen – und hätte auch noch ein paar Minuten weitergehen könnte, ohne dass man sich mit diesem an Carole King erinnernden Folkpop gelangweilt hätte. Das ebenso wunderbare „But Not Kiss“ beschreibt das Gefühl, menschliche Wärme und Nähe ohne die allerletzte Intimität zu genießen: „I want to sleep in your arms but not kiss/I long for your touch but don’t miss/Don’t want to regret any of this…“ singt Faye Webster, während Nicholas Rosens Klavier, Bryan Howards Bass und Matt Stoessels Pedal Steel ihr „Yeah, yeah“ untermauern.

„Wanna Quit All The Time“ verbindet warmen Gitarren-Folk mit einem Latin-Jazz-Rhythmus, ehe „Lego Ring“ als der einzige schwächere Song des Albums auf der Tracklist steht. Der grungige Gitarren-Ton steht Webster weniger gut, die mit viel Autotune gepimpte Stimme ihres Jugendfreundes Lil Yachty nervt ein bisschen. Nur ein kleiner Ausreißer nach unten – weil es dann sofort wieder toll weitergeht, mit einem kurzen Folk-meets-Autotune-Track („Feeling Good Today“) und einer herrlichen Ballade inklusive Streichern, Bläsern und jazzigen Besen-Drums („Lifetime“).

Wenn Faye Webster seufzt und stottert…

„He Loves Me Yeah!“ bietet anschließend wieder treibenden Alternative-Rock in kompakten drei Minuten, „ebay Purchase History“ erfreut beim sanften Dahinplätschern mit vielen hübschen Sound-Details. Das Titelstück lässt neben Fayes sehnsüchtigen Vocals erneut die Steel-Gitarre und ein paar Streicher seufzen.  Der Closer „Tttttime“, ein ultraharmonischer Song mit ungewöhnlichem Stotter-Refrain, gönnt uns für zweieinhalb Minuten nochmal großes Pop-Kino. 

Insgesamt ist Faye Webster mit „Underdressed At The Symphony“ erneut ein sehr starkes Album geglückt, das sie als eine der talentiertesten und eigentümlichsten US-Singer-Songwriterinnen zwischen Folkrock-Tradition und Indiepop-Moderne bestätigt. Man darf gespannt sein, wie sie ihren recht opulenten Sound auf die Bühne bringt – unter anderem bei deutschen Konzertterminen am 24.05.2024 in Hamburg (Mojo Club), am 25.05.2024 in Berlin (Metropol), am 27.05.2024 in München (Technikum) und am 28.05.2024 in Köln (Gloria).

Das Album „Underdressed At The Symphony“ von Faye Webster erscheint am 01.03.2024 bei Secretly Canadian. (Beitragsbild von Michael Tyronoe Delaney)

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